OB-Rekord von Jürgen Krogmann: Acht Jahre und ein Tag

2023-01-12 15:40:44 By : Mr. JD Zhao

Jürgen Krogmann ist der am längsten amtierende direkt gewählte Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg. Foto: Anja Michaeli

Oldenburg (Michael Exner) Der 1. November 2022 ist für die Kommunalpolitik der Stadt Oldenburg ein historisches Datum. Er markiert das Ende des ersten Jahres der zweiten Amtszeit von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (59). Gleichzeitig hat der Sozialdemokrat mit diesem Tag die achtjährige Amtszeit seines Vorgängers Gerd Schwandner um einen Tag überboten. Krogmann ist damit der am längsten amtierende direkt gewählte Oberbürgermeister der Stadt. Ein Gespräch mit dem Rekordhalter:

OOZ: Ist Ihnen das Datum als Rekordmarke eigentlich bewusst?

Krogmann: Natürlich, ich habe aber zu Hause kein Maßband hängen. Und Dauer ist noch keine Qualität. Da aber dazwischen eine Wahl gelegen hat, kann man das in gewisser Weise auch als Bestätigung sehen.

OOZ: Was war im Rückspiegel schwieriger – das erste erste oder das zweite erste Jahr?

Krogmann: Ich bin 2014 angefangen – und die Welt war eine andere. Wir sind seit 2020 permanent im Krisenbewältigungsmodus. Die Herausforderungen sind ganz andere geworden. Das hat langfristige strategische Planungen unmöglich gemacht. Ich habe ja im Hörfunk angefangen, und da galt: Aktualität schlägt Planung. Das ist mir in den letzten drei Jahren quasi zum Lebensmotto geworden.

OOZ: Man hat den Eindruck, dass das OB-Amt zum Krisenmanagement geworden ist.

Krogmann: Ja, und dass es in dieser Situation eine gewisse Genervtheit bei Ratsmitgliedern gibt, kann ich verstehen. Krisen sind nun mal die Stunde der Exekutive. Aber wenn man diese Oberflächenstruktur mal wegnimmt, und fragt, wie hat sich Oldenburg entwickelt, dann sieht das nicht so schlecht aus.

OOZ: Nimmt man die objektiven Daten, steht die Stadt vor allem im Vergleich zu anderen grundsätzlich gut da: In Ihrer Amtszeit gab es bislang nur Haushaltsüberschüsse, in den vergangenen Jahre wurden sogar kontinuierlich Schulden zurückgezahlt, jetzt gibt’s im Entwurf erstmals ein Defizit. Zwar nur 6,7 Millionen, und auch die können ausgeglichen werden aus Rücklagen, gleichzeitig sollen noch 7,7 Millionen Schulden abgebaut werden. Bei unserem ersten Bilanzgespräch vor Jahren hatten Sie Schuldenabbau noch ausgeschlossen.

Krogmann: So kann’s kommen. Aber wir sind dabei ja nicht im Spar- oder Büßerhemd herumgelaufen, sondern haben große Sachen angeschoben.

OOZ: Es gibt Kollegen, die würden Ihre Sorgen vermutlich gern haben. Der OB von Hannover befürchtet ein Minus von 230 Millionen, will die Grundsteuer und den Eintritt in Museen und Schwimmbäder erhöhen, das Parken auch in Außenbezirken verteuern, Einrichtungen schließen oder zusammenlegen. Dezernate/Fachbereiche dürfen nur noch 80 Prozent des Budgets ausgeben. Ist das ein Szenario auch für Oldenburg?

Krogmann: Sehe ich aktuell nicht. Aber, und da sind wir wieder bei „Aktualität schlägt Planung“, wir wissen natürlich nicht was passiert, wenn wir hinter diesen ganzen Krisen noch eine Finanzkrise bekommen. Doch im Moment ist das nicht absehbar. Was wir aber tun müssen: uns Gedanken machen, wie wir künftig bestimmte Aufgaben erfüllen. Das machen wir allerdings schon die ganze Zeit.

OOZ: Was sagt uns das denn für die großen Zukunftsprojekte. Die Fliegerhorst- Straße ist zwar finanziert …

Krogmann: Sie wäre vor ein paar Jahren billiger gewesen.

OOZ: Dann wäre da das Stadtmuseum mit 20 Millionen plus Baukosten-Steigerung in unbekannter Höhe.

Krogmann: Mit einer Bundesförderung von achteinhalb Millionen, nicht zu vergessen. Das ist nicht nur städtisches Geld.

OOZ: Aber die Förderung bleibt gleich, auch wenn die Baukosten steigen.

Krogmann: Das ist das Ärgerliche daran.

OOZ: Was hätten wir noch: Flötenteichbad (29 Millionen), Fußballstadion (34 Millionen plus Betriebskosten von jährlich 1,7 bis 2 Millionen), alternativ Marschwegausbau zwischen 15 und 30 Millionen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Und gerade kommt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg und sieht die Kommunen „vor der größten Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik“ und fordert als Konsequenz, „Leistungsversprechen der öffentlichen Hand zu priorisieren und möglicherweise auch zu revidieren.“

Krogmann: Landsberg hat sicherlich auf den Durchschnitt in Deutschland abgestellt – und Sie haben ja selbst hervorgehoben, dass wir da wirtschaftlich nicht sind. Zum anderen hielte ich es für fatal, in einer Zeit, in der die Bauwirtschaft in die Knie geht, Investitionen zurückzustellen. Wer soll die Konjunktur denn stützen, wenn nicht die Öffentliche Hand? Das heißt nicht, verschulden bis sonst wo. Aber die Spielräume, die wir in Oldenburg haben, sollten wir nutzen. Projekte wie Museum und Bad sind längst beschlossen.

OOZ: Sind sie auch finanziert?

Krogmann: Ja, die stehen alle im Haushalt. Beim Stadion ist letztlich die Frage, was kommt jährlich an Defizit auf uns zu. Die entscheidende Frage ist doch, wollen wir in Oldenburg für alle Spitzensportereignisse (wie Basketball und Handball) die Strukturen schaffen oder wollen wir das nicht. Ich werde dazu einen Vorschlag machen – und dann muss der Rat entscheiden: machen wir oder machen wir nicht. Und das muss er dann auch vertreten. Allerdings, das muss klar ein: Wenn es nicht dazu kommt, wird es in absehbarer Zeit keinen Spitzenfußball in Oldenburg geben; keine dritte Liga, und auch für die vierte wird es schwierig. Das ist eine politische Entscheidung, ich halte beide Positionen für legitim. Meine eigene kennt man, aber die muss hier keine Rolle spielen.

OOZ: Die solide Haushaltslage hatten wir ja schon. Und auch ansonsten hat die Stadt die meisten Krisen gut überstanden: den Flüchtlingsansturm, Corona, bis jetzt auch den Ukraine-Krieg. Wie hart schlägt die Energiekrise rein? Da haben Sie’s mit schnellem Reagieren sogar in die überregionalen Zeitungen geschafft; wenn auch nur in den Sportteil: weil die armen Profis von Schalke 04 kalt duschen mussten.

Krogmann: Anfangs hatten wir nicht auf dem Schirm, dass das auch das Marschwegstadion trifft. Ich habe dem VfB gesagt, ich sehe keine Möglichkeit, den Profisport davon auszunehmen. Uns ging es damals mehr darum, die Leute wachzurütteln. Nichts hat mich im Übrigen so bekannt, aber auch so unbeliebt gemacht bei meinen Kollegen wie diese Schlagzeilen. Die Bürgermeister und Landräte wurden alle gefragt, was macht ihr denn.

OOZ:: Eine nette Schmonzette, aber das Problem geht ja weiter. Unabhängig vom Haushalt: Was heißt das für die Stadt und vor allem für die Innenstadt?

Krogmann: Die Stadt hat Kontrakte für Energie bis 2025. Bei den Preisen sind wir also auf der sicheren Seite, die Frage wäre nur: Gibt es Gas? Die Situation bei den Bürgern und Unternehmen ist eine andere. Aber da engagiert sich ja der Bund. Eine Kommune kann das nicht leisten.

OOZ: Und die Innenstadt? Die hat ohnehin Probleme. Man muss da ja nur mal durchgehen.

Krogmann: Ich kann nicht einschätzen, wie groß bei den Geschäften der Faktor Energie in der Kalkulation ist. Aber sie werden natürlich leiden, wenn die Kaufkraft zurückgeht. Das kommt bei den Herausforderungen für die Innenstadt noch obendrauf. Deren zentrales Problem ist aber mehr das veränderte Freizeit- und Konsumverhalten.

OOZ: Im ersten Wahlkampf hatten Sie das Motto vom neuen Miteinander. Schaut man sich aktuell um, ist davon so viel nicht geblieben. Die Anlieger der Nadorster Straße sind auf dem Baum, weil sie vom städtischen Vorstoß überrascht worden sind. Nimmt man quasi als Spiegelbild die gleichen Vorwürfe gegen die Politik wegen der Schlossplatz-Gedankenspiele, hat man eher den Eindruck, hier herrsche das Prinzip: Bei uns steht der Bürger im Mittelpunkt, also im Weg.

Krogmann: Nadorst ist nicht so gelaufen, wie sowas laufen müsste. Es gibt jetzt einen Termin mit den Leuten, die sich zu Recht aufgeregt haben. Ich habe im Moment einen Konflikt auszuhalten. Es gibt eine neue Ratsmehrheit unter grüner Führung, die klar sagt, wir wollen relativ schnell sichtbare Veränderungen im Verkehrsbereich haben. Auf der anderen Seite haben wir an der Nadorster Straße Anlieger, die wirklich nicht auf Rosen gebettet sind. Diesen Konflikt gibt es. Ich bin aber optimistisch, dass wir eine Lösung für das Projekt „Protected Bike Lane“ finden, die den Test zur Schaffung einer Fahrradspur ohne Wegfall von 50 Stellplätzen möglich macht. Jedenfalls ist das mein Ziel. Davon muss ich allerdings noch die Ratsmehrheit überzeugen. Zum Schlossplatz habe ich im Rat alles gesagt. Den lass‘ ich mir nicht aufs Konto schreiben. Es gibt verschiedene Organe der Kommunalverfassung. Der OB ist nur eines davon.

OOZ: Es gibt zwei Arten von Kritik an Ihrer Amtsführung. Die eine: Sie seien ein Verwalter, kein Gestalter. Das kommt vor allem aus der Wirtschaft bzw. dem Bürgertum und geht einher mit einer seltsamen Schwandner-Verklärung, die über das gewohnte „früher war alles besser“ hinausreicht (obwohl der häufig vom Rat ausgebremst wurde). Wobei auffällt, dass die Kritik häufig der Unkenntnis hinsichtlich unterschiedlicher Kompetenzen von OB, Rat und Landesregierung usw. entspringt. Ein schönes Beispiel dafür hat ja ein Oldenburger Schriftsteller geliefert, der Ihnen in der Debatte um einen Kulturdezernenten vorgeworfen hat, Sie würden Dinge nicht tun, die Sie gar nicht tun können bzw. tun dürfen. Was sagen Sie denen?

Krogmann: Ich habe die Erfahrung machen müssen, dass sie gewissen Stereotypen nicht entfliehen können. Die einen sagen, verwaltet nur; die anderen, bolzt hier ein großes Projekt nach dem anderen durch. Sie haben selbst gesagt, die Stadt steht nicht schlecht da. Andere Städte haben ganz andere Diskussionen. Natürlich ist es unterhaltsamer, wenn ein Kulturkampf läuft zwischen OB und Rat, wie wir das schon hatten – und wenn es da eine elitäre Creme de la Creme gibt, die sich über den provinziellen Rat lustig macht. Ich fand das damals höchst unangemessen. Ich nehme meine Spielräume wahr. Dass ich meine Machtinstrumente zu wenig nutze, wird mir aus dem Rat keiner vorwerfen.

Krogmann: Ich versuche trotzdem, mit allen auszukommen und für alle da zu sein. Aber wenn sie sich nicht für eine Seite klar entscheiden, haben sie‘ s nicht immer so konturscharf.

OOZ: Aus der anderen Richtung kommt als Kontrapunkt eine auch nicht ganz unbekannte Kritik. Was Sie Ausnutzen der Spielräume nennen, halten andere für Alleingänge, werfen Ihnen Beratungsresistenz vor.

Krogmann: Wenn man von beiden Seiten kritisch gesehen wird, befindet man sich offensichtlich in der guten Mitte des Fahrwassers. Ich kann hier nicht arbeiten, ohne Kritik zu erzeugen. Irgendwie sind das auch Diskussionen von vor der Zeitenwende. Wenn sie sich Gedanken machen müssen, und die hatte ich im Sommer, ob ihre Bürgerinnen und Bürger im Winter in der kalten Bude sitzen, dann relativiert sich da einiges. Und wenn ihnen eine Prognose auf dem Tisch kommt, dass es in Oldenburg einige hundert Corona-Tote geben könnte, wenn nichts passiert, dann schlucken sie einmal und merken, dass das schon ernster ist, was sie hier tun, und es nicht darauf ankommt, dass sie eine gute Figur machen bei jedem.

OOZ: Am Ende Ihrer zweiten Wahlperiode sind Sie zwölf Jahre im Amt. Ein Rekord, der lange halten dürfte. Wegen der Verkürzung der Amtszeiten müsste jemand dreimal gewählt werden, um das zu toppen – für Oldenburg eine Revolution. Wie groß ist die Lust, das selbst zu versuchen?

Krogmann: Das ist nichts, worüber ich mir Tag und Nacht Gedanken mache. Ich habe noch vier Jahre vor mir, und da ist einiges zu tun. Ich werde mir im Laufe dieser Zeit gemeinsam mit anderen überlegen, wie es weitergeht. Das hängt von vielen Faktoren ab.

Die Amtszeiten der hauptamtlichen Oberbürgermeister sind seit Einführung dieses Amtes mehrfach geändert worden. Oldenburg zählte zu den ersten Städten, die 1996 im Rahmen der neuen Kommunalverfassung (zu Zeiten einer SPD-Alleinregierung in Hannover) bei der Rathausneuordnung umstiegen: von der zweigleisigen (hauptamtlicher vom Rat gewählter Oberstadtdirektor als Chef der Verwaltung und ehrenamtlicher Oberbürgermeister als Vorsitzender des Rates) zur eingleisigen Rathausspitze (hauptamtlicher und direkt gewählter Oberbürgermeister als Verwaltungschef).

Der erste Oberbürgermeister, Christdemokrat Jürgen Poeschel, wurde auf fünf Jahre gewählt – wie der Rat, so dass die Amtszeiten parallel liefen. Im Unterschied zu früher, als der Oberbürgermeister vom Rat gewählt wurde und so auch eine politische Mehrheit repräsentierte, ermöglichte die neue Form der direkten Wahl unterschiedliche Farben bei OB und Ratsmehrheit.

Auch der zweite Oberbürgermeister, Sozialdemokrat Dietmar Schütz, wurde 2001 gemeinsam mit dem Rat auf eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. 2005 (in Hannover regierte damals Schwarz/Gelb) änderte der Landtag die Kommunalverfassung: Fortan galt für Oberbürgermeister (und Landräte etc.) eine achtjährige Amtszeit – was die Perioden von Rat und Rathaus-Chef zwangsläufig auseinanderführte.

Der Nachfolger des abgewählten Schütz, der parteilose, aber von der CDU nominierte und in der Stichwahl von den Grünen unterstützte Gerd Schwandner wurde 2006 mit dem Rat, aber im Unterschied zu dem bis Oktober 2014 gewählt. 2011 wurde ein neuer Rat (bis 2016) gewählt – erstmals ohne Wahl des Oberbürgermeisters.

Mit dem erneuten Farbenwechsel der Landesregierung 2013 (dort regierte damals Rot/Grün) wurde die Kommunalverfassung wieder geändert. Oberbürgermeister kehrten zu fünf Jahren Amtszeit zurück, die Wahlen von Rat und OB wurden synchronisiert. Das sollte bis 2021 abgeschlossen sein. Aus diesem Grund wurde Jürgen Krogmann (SPD) 2014 für sieben Jahre gewählt.

2021 wurde Krogmann (als erster Oldenburger OB) wiedergewählt – gemeinsam mit dem Rat und wie der auf fünf Jahre. Die nächste Doppelwahl ist 2026.

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