Osterpaket 2.0 – Gesetzesvorhaben zur Beschleunigung des Windenergieausbaus

2023-01-12 15:40:43 By : Ms. Frances Lu

Überraschend plant die Bundesregierung nun schon vor dem angekündigten Sommerpaket umfangreiche Gesetzesänderungen im Bereich der Windenergie. Kurzfristig legte das BMWK zahlreiche Formulierungshilfen vor, um den Ausbau der Windenergie massiv voranzutreiben. Nach derzeitigen Planungen sollen diese als Bestandteil des sog. Osterpakets noch vor der Sommerpause das parlamentarische Verfahren durchlaufen.

Mit dem Ziel der Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie an Land hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz und am Bundesimmissionsschutzgesetz vorsieht. Zugleich verfolgt der Entwurf den Anspruch, auch die zweite globale ökologische Krise, die Biodiversitätskrise, zumindest nicht weiter zu befeuern. Dafür setzten die Änderungen vor allem auf Windenergie in Landschaftsschutzgebieten, nationale Artenhilfsprogramme und eine Präzisierung der Anforderungen an die artenschutzrechtliche Signifikanzprüfung.

Das BNatSchG soll künftig konkrete Kriterien erhalten, die bestimmen, ob der Betrieb einer Windenergieanlage das Tötungsrisiko für kollisionsgefährdete Brutvögel im Umfeld ihrer Brutplätze signifikant erhöht.

Grundlage ist eine Tabelle, die Anlage des BNatSchG werden soll und die bestimmten kollisionsgefährdeten Brutvogelarten jeweils einen Nahbereich, einen zentralen und einen erweiterten Prüfbereich zuordnet. Die Liste der kollisionsgefährdeten Brutvogelarten ist abschließend. Sie ist fast deckungsgleich mit der im Eckpunktepapier der Bundesministerien für Umwelt und Verbraucherschutz und für Wirtschaft und Klima vorgestellten Aufzählung – nur der Schwarzstorch ist im Gesetzentwurf nicht mehr aufgeführt.

Innerhalb des Nahbereichs sei jedenfalls das Tötungsrisiko für die jeweilige Art signifikant erhöht. Laut der Entwurfsbegründung könnten auch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen das Risiko „in der Regel“ nicht unterhalb die Schwelle der Signifikanz senken. Außerhalb des erweiterten Prüfbereichs sei das Tötungsrisiko hingegen nicht signifikant erhöht, Schutzmaßnahmen daher explizit nicht erforderlich.

Außerhalb des Nahbereichs, aber innerhalb des zentralen Prüfbereichs wird laut Gesetzentwurf ein signifikant erhöhtes Risiko vermutet. Widerlegbar ist diese Regelvermutung durch eine Habitatpotentialanalyse oder auf Verlangen des Vorhabenträgers durch eine Raumnutzungsanalyse.

Zudem kann das Tötungsrisiko durch Schutzmaßnahmen gemindert werden. Regelbeispiele für fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen soll künftig das BNatSchG selbst definieren. Im Gesetz werden die einzelnen Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Anforderungen und Wirksamkeit näher beschrieben. Für Schutzmaßnahmen, die die Abschaltung von Windenergieanlagen betreffen, werden zudem wirtschaftliche Zumutbarkeitsschwellen formuliert. Diese knüpfen an die Standortgüte sowie die Verringerung des Jahresenergieertrags an.

Außerhalb des zentralen und innerhalb des erweiterten Prüfbereichs gilt, dass das Tötungs- und Verletzungsrisiko grundsätzlich nicht erhöht ist. Eine Ausnahme hiervon besteht aber, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sich gefährdete Arten im Gefahrenbereich der Windenergieanlage aufhalten, deutlich erhöht ist und die sich daraus potenziell ergebende Risikoerhöhung durch Schutzmaßnahmen nicht gemindert werden kann.

Neben der Präzisierung der Maßstäbe der Signifikanzprüfung soll die Erteilung einer Ausnahme vom Tötungsverbot des § 44 BNatSchG nach § 45 Abs. 7 BNatSchG für Windenergieanlagen erleichtert werden. Vorgesehen ist zunächst, dass die Behörde eine Ausnahme nicht mehr verweigern darf, sobald die Ausnahmevoraussetzungen vorliegen. Ihr eigentlich von § 45 Abs. 7 BNatSchG eingeräumtes Ermessen verliert sie, wenn es sich um Windenergieanlagen an Land handelt; der Antragsteller hingegen erhält einen Anspruch auf Ausnahmeerteilung.

Des Weiteren werden die Ausnahmevoraussetzungen präzisiert. Der Entwurf stellt klar, dass die Windenergienutzung das Objekt eines überragenden öffentlichen Interesses ist, speziell der öffentlichen Sicherheit dient. Zumutbare Standortalternativen für ein Windenergievorhaben gebe es außerhalb von Gebieten, die für die Windenergie ausgewiesen sind, nicht – zumindest, ehe der jeweilige Flächenbeitragswert nach dem Windflächenbedarfsgesetz nicht erreicht ist. Bei allen anderen Vorhabenstandorten gelten Alternativstandorte außerhalb eines Radius von 20 Kilometern als nicht zumutbar, es sei denn, der Vorhabenstandort befindet sich in einem sogenannten sensiblen Gebiet, etwa einem bedeutsamen Dichtezentrum oder Schwerpunktvorkommen kollisionsgefährdeter Arten.

Die Voraussetzung der „Nichtverschlechterung“ des Erhaltungszustands der Population sollen Windenergievorhaben nach den Plänen des Gesetzgebers erfüllen, wenn sich der Zustand der durch das Vorhaben betroffenen Population zumindest mit Hilfe von Schutzmaßnahmen nicht verschlechtert oder wenn dies auf Grundlage einer Beobachtung i.S.d. § 6 Abs. 2 BNatSchG zu erwarten ist.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in Änderungsgenehmigungsverfahren für Repoweringprojekte nach § 16b BImSchG Bestandsanlagen bei der artenschutzrechtlichen Prüfung als Vorbelastung zu berücksichtigen sind. Das regelt aktuell bereits § 16b Abs. 4 BImSchG. Die immissionsschutzrechtliche Norm soll mit Inkrafttreten des geänderten BNatSchG entfallen. Vorgesehen ist aber nicht bloß eine Überführung der Regelung in das BNatSchG, sondern eine weitere Präzisierung. Die Intensität der Vorbelastung durch Bestandsanlagen soll sich anhand beispielhaft genannter Kriterien wie ihrer Anzahl und Höhe oder der Lage der Brutplätze kollisionsgefährdeter Arten bemessen.

Über § 16b Abs. 4 BImSchG hinausgehend stellt der Entwurf die Regelvermutung auf, dass Repowering-Anlagen kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko aufweisen, wenn die Auswirkungen der Neuanlage, diejenigen der Altanlage zumindest nicht überschreiten. Immerhin gleichartig belastend darf eine Neuanlage also sein. Zugleich greift die Vermutung, dass Standortalternativen regelmäßig nicht zumutbar sind. Ausnahmen von beiden Regelvermutungen gelten wiederum für besonders sensible Gebiete.

Die Gesetzesnovelle sieht auch Regelungen vor, die potenziell die Realisierung von Repowering-Projekten erleichtern und sich nicht an Vorhabenträger wenden. So soll es verboten werden, Nisthilfen für kollisionsgefährdete Arten in einem Umkreis von 1500 Metern um bereits errichtete Windenergieanlagen zu platzieren. Das Verbot gilt gleichsam für Gebiete, die in Raumordnungs- oder Flächennutzungsplan für die Windenergie ausgewiesen sind.

Damit sich der Erhaltungszustand von Populationen durch Bau, Betrieb oder Rückbau von Windenergieanlagen nicht verschlechtert, will die Bundesregierung Artenhilfsprogramme zum dauerhaften Artenschutz ins Leben rufen. Der Gesetzentwurf sieht weiterhin eine Pflicht zur Geldzahlung zugunsten dieser Artenhilfsprogramme durch die Anlagenbetreiber vor, die eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erhalten, ohne arterhaltende Maßnahmen durchzuführen.

Explizit zulässig sollen Windenergieanlagen künftig in Landschaftsschutzgebieten sein, soweit diese sich in sog. Windenergiegebieten nach dem Windflächenbedarfsgesetz befinden. Auch außerhalb von Windenergiegebieten soll die Windenergienutzung in Landschaftsschutzgebieten möglich sein, solange der jeweilige Flächenbeitragswert nach dem Windflächenbedarfsgesetz nicht erreicht ist. Ausnahmen bilden Natura 2000-Gebiete und Weltkultur- bzw. -naturerbestätten.

Die in Aussicht stehende Verordnung der EU bleibt im Hinblick auf den besonders wichtigen Abwägungsvorrang von Erneuerbaren Energien gegenüber dem Artenschutz sehr vage bzw. beschränkt den Vorrang gleich wieder, kritisiert prometheus.

Wie die Bundesnetzagentur auf ihrer Homepage mitteilte, hat sie mit Beschluss vom 27.12.2022 eine Festlegung zu den Höchstwerten für Wind an Land und Aufdach-Solaranlagen für das Jahr 2023 getroffen und in diesem Zuge die zulässigen Gebotswerte deutlich angehoben.

Krüger: Falscher Handlungsansatz des Bundeskabinetts führt zu längerer Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und vernachlässigt Artenschutz

Die Bundesministerien für Verkehr und Digitalisierung (BMDV) sowie für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) haben gestern den neuen Funknavigationsbericht gemäß § 99a EEG kommentiert. Der Bundesverband Windenergie (BWE) möchte die Gelegenheit nutzen, den beteiligten Ministerien und Behörden für die gute Zusammenarbeit zu danken.

Mit dem Rekord-Ausschreibungsziel von fast 13 Gigawatt Leistung startet die Windbranche ins Jahr 2023.