Frankfurt: „Toiletten-Finder“ hilft, wenn es mal schnell gehen muss

2023-01-12 15:34:05 By : Ms. Angela Her

Unterwegs mit der App „Toiletten-Finder“ gibt es zwischen Dom und Zeil Katastrophen und Luxus zu entdecken.

Zu riechen sind die Toiletten in der B-Ebene der Hauptwache schon von weitem. Es ist dieser beißende Klogeruch nach Kanal und aggressivem Reinigungsmittel, der aus den Sanitärräumen wabert. Ein Mädchen steht vor dem Eingangsbereich zu den kostenlosen Toiletten in der B-Ebene und wartet auf seine Mutter. Es hält sich die Nase zu. „Die Toiletten sind einfach eine Katastrophe“, sagt Dragan Kostic, der für den Sicherheitsdienst Hochhaus-Gebäudedienst in den Toiletten Wache schiebt.

Wer mit der neuen App „Toiletten-Finder“ der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) an der Hauptwache ein öffentliches WC sucht, bekommt das Klo in der B-Ebene angezeigt. Die weißen Schwimmbadfliesen an den Wänden haben die vergangenen 40 Jahre mehr schlecht als recht überstanden. Der Boden im Eingangsbereich ist uneben, die PVC-Platten, „die gehen immer wieder hoch“, sagt Kostic und versucht, eine lose abstehende Platte nach unten zu treten. Der Blick zur Decke – nun, es gibt nicht wirklich eine Decke. Graue Rohre liegen frei, Kabel hängen herab. „Und als Haustiere haben wir Mäuse“, sagt Kostic. Neulich musste eine Frau aus der Kabine klettern, weil sie sich nicht mehr aufschließen ließ. Nicht das erste Mal, sagt Kostic. Schon lange sollten die Toiletten von der Stadt saniert werden. „Doch es wird immer nur geredet, nichts wird getan.“

Eine Putzfrau ist zwar immer im Dienst, aber die Spuren von 40 Jahren kann auch sie nicht wegwischen. Am Morgen war das eine Waschbecken verstopft. Das Problem hat Kostic selber behoben, auch wenn das gar nicht seine Aufgabe ist. „Sonst würde es zwei Monate dauern.“ Bei den kaputten Toiletten kann er aber nichts tun. Von 15 funktionieren sechs nicht. Wann jemand zum Reparieren kommt, das weiß er nicht. Die Toilette neben dem Eingang, eine moderne Anlage mit Selbstreinigung, ist jedenfalls schon seit sechs Monaten defekt. Viele Touristen besuchten die Toilette, sagt Kostic. „Manche sagen, sie hätten nie geglaubt, dass Frankfurt so heruntergekommen sei.“

Die muffige Bedürfnisanstalt an der Hauptwache, sie ist wortwörtlich nur für die Notdurft zu nutzen. Wen es an der Hauptwache nicht ganz so arg pressiert, der kann mit der App die nächste städtische Toilettenanlage in Laufnähe finden: in der B-Ebene der Konstablerwache. Sie ist seit drei Jahren saniert: anthrazitfarbene großflächige Fliesen auf dem Boden, beigefarbene an den Wänden. Alles ganz schlicht, ganz einfach – und auch sauber an diesem Morgen. Hier ist ebenfalls immer eine Putzfrau vor Ort. Etwas verloren stehen die sieben Pflänzchen in ihren 13-Zentimeter-Töpfen aus braunem oder schwarzem Plastik vor den Spiegeln bei den Waschbecken.

Im Eingangsbereich lehnt am gefliesten Empfangstresen Alexander Aidoo. Auch Sicherheitsmitarbeiter der Firma Hochhaus-Gebäudedienst. 100 Leute kämen im Schnitt in der Stunde, sagt er. „Nicht alle sind nett.“ Manche sehen nicht ein, dass man das Fahrrad nicht mit hineinnehmen darf, andere wollen die Bierflasche nicht draußen lassen. Und manchmal muss er Dealer und Drogenkonsumenten nach draußen werfen. Wenn donnerstags und samstags Markt an der Konstabler ist, dann herrscht in den Sanitärräumen Hochkonjunktur. Auch das ganze Wochenende. Bis drei Uhr nachts hat die kostenlose Toilette da geöffnet. Nicht lange genug. Wenn Aidoo um 6.30 Uhr morgens zum Dienst kommt, „dann ist vor der Tür alles vollgepinkelt“.

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Zumindest bis 23.45 Uhr gibt es eine weitere öffentliche Toilette für den Innenstadtbesucher: am Paulsplatz. Sie ist aber nicht so einfach zu finden. So schnell kommt man nicht auf die Idee, die Stufen am Taxistand hinabzusteigen. Die WC-Zeichen am Treppenabgang sind leicht zu übersehen. Doch wer hinunterfindet, betritt eine Welt aus Glas, Spiegeln, Edelmetallen und Holz. Als „Luxusklo“ wurde diese öffentliche Toilette daher schon betitelt. Oder als „WC de luxe“. Ganze Reisebusladungen an Touristen werden dort nach unten katapultiert. Ein stilles Örtchen ist es eher nicht, auch an diesem Tag reichen sich die Leute die Klinke in die Hand. Oder besser: das Drehkreuz. Denn zu den Toiletten mit den grünen Glastrennwänden geht es nur über den Einwurf von 50 Cent.

In der kostenlosen „Toiletten-Finder“-App der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) sind rund 80 öffentliche Toiletten in der Stadt gelistet. Es sind Anlagen der FES und der Stadt Frankfurt, Toiletten in Parks und auf Friedhöfen.

Auf dem Stadtplan zeigen blaue Pins die Standorte der Toiletten an. Erlauben Nutzer der App den Zugriff auf den eigenen Standort, kann man sich anzeigen lassen, wie weit es bis zur nächsten Toilette ist.

Öffnungszeiten und Kosten werden für jede Toilette angegeben. Zudem gibt es die Information, ob das WC barrierefrei ist und über einen Wickeltisch verfügt.

Zwölf der aufgeführten Toiletten werden von der FES betrieben. Bei ihnen kann der Nutzer eine Meldung über den Zustand der Toiletten wie etwa Sauberkeit und Funktion abgeben.

Im Google Playstore und im App Store von Apple kann die App heruntergeladen werden. 

Es riecht nach Citrusreiniger, an der Sauberkeit gibt’s nichts zu meckern. Für die steht Salvatore Lanzano von der FES bereit. Gereinigt werden muss eigentlich ständig. „Hat man gerade geputzt, kommt der nächste Bus“, sagt er. Und er fängt von vorne an. Dazwischen weist er mit seinen blauen dicken Gummihandschuhen die Männer nach links, die Frauen nach rechts. „Die wollen öfter mal zusammen in einen Bereich“, erzählt er. Manche wollen auch einfach nicht zahlen. Oder haben kein Kleingeld. Dafür gibt es eigentlich einen Wechselautomaten, doch der ist kaputt.

Ein Schild „No spitting“ ist mit Piktogramm auf dem Weg zu den Urinalen angebracht. „Die Chinesen spucken gerne mal auf den Boden“, erklärt er. Muss ja nicht sein, findet er und hat daher das Schild aufgehängt. Wobei er auch noch tausend andere Schilder aufhängen könnte und die Übeltäter längst nicht nur Chinesen sind: Nicht auf den Boden pinkeln, den Klodeckel bitte aufklappen, nicht das große Geschäft neben der Toilette verrichten. „Manchmal ist das schon schlimm“, sagt er.

Um die Toiletten am Dom gezielt anzusteuern, muss der Besucher schon von ihnen wissen. Die App zeigt sie nicht an, sie sind ja auch nur provisorisch: Seit kurzem stehen zwei Dixi-Klos dort. Gleich links von der Kirche schmiegen sie sich im unverwechselbaren blau-weiß an einen Bauzaun. Ein Damenhäuschen, ein Herrenhäuschen. Die Tür zum Damenklo lässt sich auch mit größter Anstrengung nicht öffnen, obwohl niemand drinnen ist. Die Tür zum Männerklo wirft man lieber gleich wieder zu. Ein kurzer Blick reicht, das übliche Dixi-Klo-Ambiente eben: Papier und blaue Chemiereste kleben auf dem Boden, von Citrusduft ist der Geruch weit entfernt. Aber der Wasserhahn funktioniert. Immerhin.

Wer nun auf die Idee kommt, sich doch lieber in eine Gaststätte zu schleichen - der wird gleich vom Schild am Restaurant „Cucina delle Grazie“ neben dem Dom abgeschreckt. „Toiletten nur für unsere Gäste“ steht dort geschrieben. Man hat da so seine Erfahrungen mit Horden von Besuchern mit Blasendruck gemacht.

Öffentlich zugänglich sind auch die Toiletten in den Kaufhäusern, die aber nicht in der App zu finden sind. Im Einkaufszentrum My Zeil sind die Toiletten gerade neu gemacht. Im zweiten Stock plätschert sanfte Musik den Besuchern beim Betreten der Räume entgegen. In die graue Steinwand ist ein Schaukasten eingelassen, in dem Goldbarren liegen. Veronica Nedala sitzt am Empfangstresen in Uniform mit goldenem Halstüchlein. Eine lederne halbrunde Sitzecke lädt vor goldenen Wandbehängen zum Warten ein. Es riecht nach … „Nach Meer“, sagt Nedala. Sie fühle sich hier fast wie in einem Spa. Zumindest jedenfalls nicht wie in einer Bedürfnisanstalt.

Runde Tischwaschbecken, matt beleuchtete Spiegel und 14 Damentoiletten gibt es. Die Kabinen glänzen innen in Schwarz und sind mit Fotomotiven wie Pfauenfedern, Pferden und Weinregalen ausgekleidet. Kaum wird eine Kabine verlassen, steht schon eine Servicemitarbeiterin mit einem Wischer bereit.

Bis zu fünf Personen würden gleichzeitig putzen, sagt Nedala. Um 50 Cent wird für die Nutzung gebeten – aber es wird auf freiwilliger Basis gezahlt. „Manche geben einen oder zwei Euro, weil es ihnen so gut gefällt“, sagt Nedala. Auch Zehner und Zwanziger hat sie schon bekommen. Viele Touristen würden die Toilette nutzen. „Einer aus New York hat mal gesagt“, erzählt Nedala, „dass er in seiner Stadt noch nie eine so schöne Toilette wie hier in Frankfurt gesehen hätte.“ Dann kann nur gehofft werden, dass es ihn nicht noch einmal pressiert hat – und er die Toilette an der Hauptwache aufgesucht hat.

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