Prozedere im klinischen Reinraumlabor - LABO ONLINE

2023-01-12 15:32:21 By :

Für ein „Laboratory to go“

Entwicklungen vorführen und testen

Hilfsmittel für den Arbeitsschutz

Bakterien in Umwelt- und Industriewässern...

Mehrere Parameter in einem Ablauf erfassen

Forschung für die Medizin

In den Augusta Kliniken Bochum werden Zytostatika-Zubereitungen in einem modernen Labor hergestellt. Die einzelnen Reinraumbereiche, Arbeitsabläufe und Vorgehensweisen beschreibt Dr. Robert Kersten, der dieses Labor leitet.

Seit Jahrzehnten kommen Zytostatika bei Chemotherapien zur Krebsbehandlung zum Einsatz, um das Zellwachstum von Tumorzellen zu stoppen. Da es sich um hochsensible sowie auch krebserregende Wirkstoffe handelt, müssen diese einerseits vor äußeren Einflüssen geschützt werden und andererseits müssen die Mitarbeitenden, die diese Arzneimittel handhaben, um Medikationen zu bereiten, vor diesen Stoffen geschützt werden. In dem neuen Reinraum der Augusta Kliniken am Standort Bochum bereiten die Beschäftigten der hauseigenen Apotheke Rezepturen für die Patientinnen und Patienten vor. Hier sind sterile Bedingungen gegeben sowie die „richtigen“ Druck- und Klimaverhältnisse unter kontinuierlicher Überwachung. Im Mai 2021 hat die Klinik nach einjähriger Bauzeit das neue, hochmoderne Sterillabor in Betrieb genommen. Die Stiftung Augusta investierte mehr als eine Million Euro in das Projekt. Das Unternehmen Schulz Lufttechnik führte das Bauprojekt aus. Pro Jahr werden dort nun rund 27 000 Zubereitungen für Krebspatientinnen und -patienten hergestellt, darunter allein 10 000 Zytostatika-Medikationen.

Reinräume sind so konstruiert, dass möglichst wenig luftgetragene Teilchen in die Räume gelangen. Das Sterillabor wird dabei in maximal vier verschiedene Bereiche aufgeteilt, die den Reinraumklassen A, B, C und D entsprechen. Die Grenzwerte sind in entsprechenden DIN-Normen festgelegt. Reinraumklasse A bildet die höchste bzw. reinste Stufe, Reinraumklasse D „erlaubt“ die größte, maximal zulässige Partikelkonzentration. Personal- und Materialschleusen trennen die einzelnen Bereiche voneinander. Um die höchste Reinraumklasse erreichen zu können, müssen sowohl Mitarbeitende als auch Materialien erst die vorherigen Bereiche über Schleusen passieren. Die Zutrittsbestimmungen verschärfen sich von Raum zu Raum.

In Reinraumklasse D des Sterillabors der Augusta Kliniken werden die Materialien und Arzneimittel gelagert, die für die Herstellung der patientenindividuellen Medikationen benötigt werden. In diesem Bereich befindet sich der Arbeitsplatz des Apothekers bzw. der Apothekerin. Im Reinraum der Klasse C reichert eine Pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) die zur Herstellung von Zytostatika benötigten Arzneimittel und Materialien an. Eine weitere PTA stellt die applikationsfertigen Infusionsbeutel her. In diesem Reinraum befindet sich eine Laminar-Air-Flow-Werkbank (LAF). Diese Werkbank erfüllt in ihrem Innenbereich Reinraumbedingungen der Klasse A. Ein kontinuierlicher Luftstrom innerhalb dieser Werkbank hält den Arbeitsbereich rein. An dieser Werkbank stellt die zweite PTA die patientenindividuellen zytotoxischen Zubereitungen her. Das Sterillabor verfügt über zwei Werkbänke im CMR-Bereich und eine Werkbank im Non-CMR-Bereich (CMR steht für: carcinogenic, mutagenic, reprotoxic). Die Kommunikation zwischen den einzelnen Reinräumen erfolgt per Gegensprechanlage.

Um als Mitarbeiter in die Reinräume eingeschleust zu werden, ist eine längere Prozedur nötig. Durch eine Personalschleuse geht es in die Reinraumklasse D. Die Mitarbeiter/-innen der Apotheke müssen zunächst ihre normale Berufsbekleidung gegen Reinraumbekleidung auswechseln, ihre Haare vollständig mit einer Haube bedecken und eine FFP2-Maske aufsetzen. Die Hände werden gründlich gewaschen und desinfiziert. In den Reinräumen müssen außerdem immer Handschuhe getragen werden.

Zwei PTAs passieren die Personenschleuse zur Reinraumklasse C im Sterillabor der Augusta Kliniken. Dort müssen sie sich erneut umkleiden. Über die partikelarme Reinraumkleidung ziehen sie zusätzlich einen speziellen, sterilen und chemikalienresistenten Overall an. Besondere Vorsicht ist außerdem bei den Handschuhen geboten. Die PTAs, die im Reinraum der Klasse C arbeiten, ziehen sterile Handschuhe über die Unterhandschuhe, die sie bereits vorher angezogen hatten. Die PTA, die am Laminar Airflow arbeitet, darf das zweite Paar erst innerhalb der LAF-Werkbank überziehen. So wird die Sterilität der Handschuhe sichergestellt. Damit die Sterilität aufrecht erhalten bleibt, wechseln beide PTAs ihre Handschuhe alle 30 Minuten. Das dient auch der Arbeitssicherheit.

Die benötigten Materialien müssen ebenfalls durch einen Schleusungsprozess. Dies geschieht mithilfe der Materialschleuse. In deren Mitte befindet sich eine markierte Schwelle, die von der jeweiligen Zugangsseite (Reinraumklasse D und außerhalb des Sterillabors) nicht überschritten werden darf. Die Tür zur Materialschleuse kann, ebenso wie die Personalschleusen, nur von jeweils einer Seite geöffnet werden, damit kein direkter Luftaustausch stattfindet. Öffnet sich eine Tür, greift eine automatische Verriegelung der jeweils anderen. An den Türen zeigen angebrachte Warnlampen, ob die jeweilige Tür geöffnet werden kann.

Die Apothekerinnen und Apotheker, die den PTAs im Reinraum der Klasse C die Wirkstoffe für die Zubereitungen zur Verfügung stellen, können diese ebenfalls nur über eine weitere kleinere Materialschleuse aus Reinraumklasse D zu Reinraumklasse C befördern. Vor der Übergabe der benötigten Materialien werden diese und die Klebeetiketten der Zubereitungen desinfiziert.

Erst nach der Desinfektion werden die Materialien in die Schleuse gestellt, die sich in beiden Räumen auf Höhe der Arbeitsplatte befindet. Diese Materialschleuse lässt sich durch zwei Fenstertüren öffnen und verbindet beide Reinräume miteinander. Auch hier gilt das gleiche Prinzip wie bei allen Schleusen: Die eine Tür kann erst geöffnet werden, wenn die andere geschlossen ist.

Der Aufwand ist erforderlich, um die hohen Sicherheitsstandards zu erfüllen, die diese Arzneimittel, der hier durchgeführte Prozess sowie der Umgang mit diesen Stoffen erfordern. So wird u. a. gewährleistet, dass die Zubereitungen in steriler Umgebung hergestellt werden, keine Fremdpartikel enthalten und die Mitarbeitenden vor einer Kontamination geschützt sind.

Nicht nur die speziellen Räumlichkeiten, Ein- und Ausschleusung, sterile Kleidung und weitere persönliche Schutzausrüstung sorgen für die Sicherheit des Laborteams und eine sichere Herstellung der Zubereitungen. Auch die Arbeitsabläufe sind streng geregelt. Die Mitarbeiter starten um 7 Uhr ihre Arbeit: „Wir müssen regelmäßig Pausen machen, damit unsere Konzentration während der Zubereitung der Medikation so hoch wie möglich ist“, erklärt die Apothekerin Katja Lowag.

Im Sterillabor der Augusta Kliniken werden die Zubereitungen nach dem Vier-Augen-Prinzip hergestellt, d.h., zwei PTAs kontrollieren den Herstellungsprozess. Zunächst überprüft der/die Apotheker/-in das vom Arzt freigegebene Therapieprotokoll auf Plausibilität, kontrolliert Wirkstoff, Beutelgröße, Dosis und Hersteller und bestätigt das Ergebnis mit einer Unterschrift.

Die nächste Kontrolle wird von den PTAs im Reinraum Klasse C durchgeführt. „Die PTAs überprüfen, ob ich alle benötigten Materialien hereingereicht habe und ob die Wirkstoffe mit den Angaben auf dem Etikett übereinstimmen“, erläutert Apothekerin Lowag. Die Materialien werden hier erneut desinfiziert. „Danach reicht die eine PTA die Materialien an die PTA, die an der LAF-Werkbank sitzt, weiter. Sie fertigt letztendlich die Zytostatika an.“ Auch hier werden die Wirkstoff-Angaben vorher noch einmal überprüft. Dann erst beginnt die Herstellung der sensiblen Zubereitungen.

Im Sterillabor wird volumetrisch gearbeitet, d. h., dass aus der Konzentration der Grundsubstanz das benötigte Volumen des Konzentrats berechnet wird. Das berechnete Volumen wird später den Infusionsbeuteln zugespritzt. Zytostatika werden den Patienten und Patientinnen in der Regel über Infusionen verabreicht. Dafür zieht die PTA an der LAF-Werkbank das zuvor berechnete Volumen des Wirkstoffkonzentrats mit einer Spritze auf. Erst nach Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips wird das Volumen dem Infusionsbeutel hinzugefügt.

Die fertigen Zubereitungen werden in Infusionsbeutel über denselben Weg durch die Materialschleuse an den/die Apotheker/-in übergeben. Sie überprüft ein letztes Mal, ob alle erforderlichen Infusionsbeutel für einen bestimmten Patienten vorhanden sind, ob die Infusionsbeutel mit den nötigen Filtern versehen sind und ob es Auffälligkeiten wie eine Schaumbildung oder sichtbare Fremdpartikel gibt, bevor das Medikament zur Anwendung kommt.

Damit Reinräume auch rein bleiben, erfolgen Reinigung und Überwachung der Reinigung bzw. des Reinigungserfolges nach bestimmten Leitlinien. Bei der Apotheke der Augusta Kliniken Bochum folgt man dabei zum einen dem PIC/S-Leitfaden, in dem die Grenzwerte für jede einzelne Reinraumklasse aufgeführt sind, und für das Reinraum-Monitoring orientiert man sich hier außerdem an den Leitlinien der ADKA, des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker.

Auf Basis der Leitlinien wurde für jede Reinraumklasse ein Reinraummonitoring durchgeführt und ein spezieller Hygieneplan entwickelt. Der/die Apotheker/-in desinfiziert die Oberflächen in Reinraum Klasse D täglich. Die anreichende PTA reinigt Reinraum Klasse C zweimal täglich mit sterilisierten Desinfektionsmitteln. Eine speziell geschulte Reinigungskraft säubert und desinfiziert täglich die Fußböden in allen Reinräumen. Einmal im Monat werden zusätzlich die Wände wisch-desinfiziert.

Ein in den LAF-Werkbänken eingebautes Partikelmessgerät misst und überwacht täglich die Partikelkonzentration in der Luft im Werkbank-Arbeitsbereich. Abhängig von der Reinraumklasse wird außerdem ein mikrobiologisches Monitoring durchgeführt. Der Prüfplan sieht passive Luftkeimsammlungen mittels Sedimentationsplatten vor. Außerdem werden sog. Abklatschproben der Umgebung – von Oberflächen – genommen. Solche Proben dienen der Prüfung auf Keimfreiheit. Wären Keime vorhanden, dann würden bei Bebrütung die Mikroorganismen auf dem verwendeten Nährmedium wachsen und sichtbar werden. Zusätzlich führt eine externe Firma einmal im Quartal eine aktive Luftkeimsammlung durch. Dabei wird die Luft angesaugt und auf eine Sedimentationsplatte geleitet. Schließlich stellen die PTAs am Ende des Arbeitstages einen Dummy her, um nachzuweisen, dass der Herstellungsprozess den mikrobiellen Anforderungen entspricht. Bei diesem Dummy handelt es sich um eine simulierte Herstellung, die mit einem flüssigen Nährmedium (einer Soja-Bouillon) durchgeführt wird. Abschließend müssen die PTAs noch jeweils eine Abklatschprobe machen, um nachzuweisen, dass ihre Handschuhe keimfrei waren.

AUTOR Dr. Robert Kersten Leiter Apotheke und Labor der Augusta Kliniken Bochum und Hattingen Tel. 0234/517-1401 r.kersten@augusta-kliniken.de www.augusta-kliniken.de

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